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Entwickelt sich der Kreis zum „Dunkelland“ ? :

Landespolitik

damo Kirchen. Im Besprechungsraum des Rathauses Kirchen hängen einige Landkarten an der Wand. Auf der einen ist das Land Rheinland-Pfalz kunterbunt dargestellt, eine andere zeigt das Straßennetz, und zwar in verschiedenen Farben; eine dritte mutet grafisch an und weist ein Geflecht aus Pfeilen und Kreisen auf.

Alles in allem sehen die Karten ganz nett aus. Und trotzdem gefallen sie dem Kirchener Bauamtsleiter Joachim Neuhof ganz und gar nicht, und mit dieser Ein- schätzung steht er nicht allein: Auch Bürgermeister Wolfgang Müller, der technische Bauamtsleiter Stefan Strunk und Bauamtsmitarbeiter Dag Irle können sich für die Karten nicht begeistern. Der Grund: Ihrer Meinung nach haben die, die die Karten erstellt haben, sich bei der Farbwahl sehr ungeschickt angestellt.
Denn hinter den Farben verbirgt sich eine politische Zielsetzung, und zwar die für das neue Landesentwicklungsprogramm. Und das bereitet der Kirchener Verwaltung derzeit massive Bauchschmerzen. "Wenn dieser Plan umgesetzt wird, werden wir hier von jeder Entwicklung abgehängt: Hier wird für unsere Region Stillstand angeordnet - und Stillstand ist Rückstand", prognostiziert Müller und wähnt sich bereits im "Dunkelland". Neuhof befürchtet ein „Ausbluten der kommunalen Selbstverwaltung" und einen „Wust von Regulierung". Schon an diesen Vokabeln merkt man: Die Mitarbeiter des Rathauses sind in Sorge, und diese Sorge gründet sich auf dem "Landesentwicklungsprogramm IV" (LEP IV). LEP IV: Klingt erst einmal so, als ob es weit weg wäre: Der Plan wird in Mainz erstellt, und bei Landesentwicklung denkt man nicht zwingend an neue Baugebiete in Wingendorf oder Friesenhagen. Aber:„LEP IV hatdurchschlagende Wirkung bis auf die Ortsgemeinde-Ebene", warnt Neuhof. Er erklärt, warum das so ist: Mit LEP IV will das Land seine weitere Entwicklung steuern. So werden Rahmenbedingungen festgelegt, nach denen manches erwünscht und mit Fördermitteln unterstützt wird, anderes aber mit behördlichen Hürden bis hin zu Verboten belegt wird. Sobald LEP IV Rechtskraft erlangt hat, ist das Programm bindend, berichtet Neuhof: Die Weichenstellung des Landes schlägt sich dann im Raumordnungsplan und damit im Flächennutzungsplan der Verbandsgemeinden nieder. Und auch Fördermittel werden laut Neuhof bevorzugt dahin fließen, wo es nach LEP IV gewünscht ist. „Man darf die Bedeutung keineswegs unterschätzen", sagt Müller. Dass LEP IV nun in Kirchen (und weiten Teilen des AK-Kreises) als empfindliche Bedrohung wahrgenommen wird, liegt an der planerischen Schwerpunktsetzung des Landes. Im Innenministerium ist LEP IV entwickelt worden; die anderen Fachministerien haben den Plan ergänzt. „Und es sieht so aus, als ob uns unsere Randlage im Land wieder zum Nachteil wird", sagt Müller. Derzeit werden alle Kommunen im Land angehört - ein Veto-Recht haben sie freilich nicht. Sie können lediglich Stellungnahmen abgeben. „Und wenn ich sehe. was von unseren Anregungen beim Raumordnungsplan übrig geblieben ist, dann mache ich mir auch diesmal keine großen Hoffnungen", meint Müller. Dennoch müsse die Verbandsgemeinde ihrer Verantwortung gerecht werden, auf Probleme im LEP IV einzugehen und Änderungswünsche zu artikulieren.
Und davon gibt es einige.

Kritikpunkt 1: „Stärken stärken"

„Stärken stärken": Dieser Grundsatz findet sich in vielen Punkten im LEP IV wieder. Klingt nett, sofern man zu den Starken gehört. .Kehrt man die Aussage um, heißt das: Wer schwach ist, wird noch schwächer." Und das Kreisgebiet ist nicht bei den Regionen eingestuft worden, die besonders gefördert werden sollen. Das AK-Land wird dem Metropolraum Rhein/Ruhr zugerechnet und spielt bei der Festlegung der Schwerpunkte für landesweite Entwicklung keine Rolle, während z.B. die Eifel als ländlicher Entwicklungsbereich oder die Region Koblenz als städtischer Entwicklungsraum ausgewiesen werden soll.
„Bei uns ist offenbar keine Entwicklung gewünscht", sagt Neuhof - und Dag Irle befürchtet, dass mit dem Konzept »Stärken stärken" die strukturschwächeren Regionen weiter ins Hintertreffen geraten. Auch besonderes förderwürdige „Leuchtturmprojekte" gibt es zwar überall im Land, aber nicht nördlich von Montabaur. Das sieht das Kirchener Rathaus freilich anders: Die Region Sieg/Westerwald habe durchaus ihre Stärken, die es weiter zu fördern gelte, z.B. die „gute mittelständische Struktur" und den erfolgreich bewältigten Strukturwandel. Projekte wie die Technologie-Transfer-Agentur und das Simulationszentrum auf dem Molzberg seien landesweit einzigartig und allemal die Einstufung als „Leuchtturmprojekt" wert.

Kritikpunkt 2: Mittelzentren im Verbund

Mittelzentren, die bislang ihrer Funktion nicht gerecht geworden sind, sollen laut LEP IV mit anderen Mittelzentren im Verbund zusammengefasst werden. Und offenbar sind die Planer der Auffassung, dass das Mittelzentrum Betzdorf/Kirchen alleine nicht bestehen kann - deshalb soll ein Verbund mit Wissen gebildet werden. .Wenn es den Verbund schon gegeben hätte, als über die Bäder diskutiert wurde, dann würde das neue Bad wohl in der Wingertshardt stehen", sagt Müller. Und ob es in beiden Kommunen noch ein Krankenhaus geben würde, bezweifelt Neuhof. »Wir müssten mit Wissen einen interkommunalen Vertrag abschließen, in dem festgelegt würde, wo welche kommunalen Einrichtungen angeboten würde", erklärt Müller:
"Auf dieser Basis würden dann Fördermittel fließen"; Dieser Plan löst im Kirchener Rathaus gleich doppeltes Kopfschütteln aus: .Ich würde gerne mal wissen, wo wir unserer Funktion als Mittelzentrum nicht gerecht geworden sind", fragt sich Neuhof - und zum andern steht für Müller fest: "Nichts gegen Wissen - aber wir haben mit denen nichts zu tun, weil Wissen so weit weg ist: Nach Wallmenroth kommt lange Zeit gar nichts. Das sehen die Wissener doch genauso".

Kritikpunkt 3: Eingriff in Selbstverwaltung

LEP IV setzt mit Blick auf die demographische Entwicklung den Schwerpunkt auf die Reaktivierung der Innenbereiche der Kommunen. So können neue Flächen im Außenbereich erst dann erschlossen werden, wenn alle anderen Optionen genutzt sind und eine Gemeinde keine zu stark sinkende Bevölkerung aufweist.
.Grundsätzlich sehen wir das genau so", meint Stefan Strunk: .Alleine aus Kostengründen versuchen wir keine neuen Wohn- oder Gewerbeflächen außerhalb zu erschließen, sondern zuerst Industriebrachen zu reaktivieren oder Ortskeme voranzubringen." Bloß: „Es kann nicht sein, dass diese Zielsetzung künftig als Vorschrift kommt", ärgert sich Neuhof, .denn das bedeutet ja: Unseren Entscheidungsträgem in den Räten wird der Wille und die Fähigkeit abgesprochen, selbst abzuwägen, was für ihre Kommune gut ist."

Kritikpunkt 4: Angeordnetes Schrumpfen

Dass schrumpfende Gemeinden keine neuen Baugebiete erschließen dürfen, könne nicht von oben entschieden werden: .Was soll denn eine Kommune machen, wenn im Ortskem Häuser leer stehen? Wir haben doch gar keinen Einfluss darauf, denn die Gebäude gehören uns nicht", sagt Müller. Und neue Gewerbegebiete im Ortskem sind für Stefan Strunk auch nicht vorstellbar - und ohne Arbeitsplätze stehen Kommunen im Wettbewerb um Bürger noch schlechter da, argumentiert Strunk: „In der Folge sinkt die Bevölkerung weiter." Für Müller heißt das: „Laut LEP IV müssen schrumpfende Gemeinden weiter schrumpfen."

Kritikpunkt 5: Verkehrswege

Sowohl die B 62 als auch die Bahnstrecke an der Sieg werden nicht als "großräumige Verbindungen" eingestuft wie zum Beispiel die L 280 oder die B 8/B 414. Gerade für die Verbandsgemeinde Kirchen ist die B 62 aber von übergeordneter Bedeutung - aber das schlägt sich im Plan nicht nieder. Die Folgen: „Die Chancen, dass z. B. Ortsumgehungen in den Bundesverkehrswegeplan aufgenommen werden, sind natürlich kleiner", meint Neuhof: „Die höherrangigen Verbindungen haben Priorität, auch was die Fördergelder angeht." Gleiches gelte für die Bahn: Irle befürchtet, dass Fördermittel zuerst in andere Strecken gesteckt werden - eine Verbesserung der Siegstrecke dürfte damit in weite Feme rücken.

Für das Kirchener Rathaus sind das die wichtigsten Kritikpunkte; diese wer- den nun in eine Stellungnahme eingearbeitet. Dabei stimmen sich die Kirchener auch mit ihren Betzdorfer Nachbarn und dem Kreis ab. Zudem geht das Thema in alle Ortsgemeinderäte. In Mudersbach wurde in der letzten Ratssitzung die Idee laut, sich mit einer Resolution gegen LEP IV zu wenden; die anderen Räte müssen das Thema in den nächsten Tagen disku- tieren. „Wir müssen uns wehren", bilanziert Müller, "denn wenn wir es jetzt versäumen, werden wir für die nächsten 15 Jahre ins Abseits gestellt."

Siegener Zeitung am 29.03.2007 damo Kirchen.

 

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